Nach was schmeckt Heimweh?
Habt ihr auch schon mal die Auswanderer TV Doku „Goodbye Deutschland“ geschaut? Läuft die noch? Ich war mal ein Fan! Habe gemütlich auf dem Sofa lümmelnd darüber gestaunt, welche Abenteuerer es gibt und mich amüsiert, dass Menschen, die nach USA oder sonstwohin auswandern, Heimweh nach deutschem Brot und Bratwurst bekommen. Echt jetzt, dass weiß man doch vorher, dass es die dort nicht gibt!
Und jetzt bin ich selbst eine. Also, eine Auswanderin, keine Bratwurst. Zumindest auf Zeit. Corona bedingt. Die Bratwurst an sich fehlt mir dabei weniger. Wobei das schon lustig ist mit der Wurst: ich frage kürzlich im Supermarkt ob es Würstchen für den Grill gibt (yep, die Griechen grillen auch gerne Würstchen, nur andere eben) und der Verkäufer outet mich direkt als Deutsche! Nicht mein Akzent, mein Aussehen, nein, die Bratwurst hat mich entlarvt. Oh, da freut er sich! Denn er hat vor über einem Monat irgendein Computerteil in Deutschland bestellt und wundert sich, dass die Sendung nicht ankommt, ob ich mal schauen könnte? Schwups holt er schon seinen Laptop und zwischen WC Papier und Katzenfutter starten wir die Sendungssuche der Deutschen Post. Heureka! Das Päckchen ist schon abholbereit! Meine Würstchen leider nicht, die kommen erst nächste Woche, doch gar kein Problem! Er gibt sie dem Busfahrer mit, der die Strecke auf unsere Inselseite jeden Tag fährt, damit ich schnellstmöglich meine Bratwürste bekomme, ohne die ich als Deutsche wohl nicht leben kann.
Ich meine ja, dass es hier zu Lande ganz wunderbare Dinge aller Art zu essen gibt! Und doch, als ich das erste Weihnachtspäckchen einer Freundin öffnete und Marzipankonfekt darin fand, da ist schon eine kleine Träne gerollt…. Die Zimtsterne meiner Schwester waren länger unterwegs und schon ein bisschen bröselig, doch sie waren trotzdem ganz wunderbar und hatten den gleichen Effekt. Ebenso wie ein XXL großer Umschlag voll mit meinen Lieblings-Teebeuteln einer anderen Freundin. Habe ich etwa Heimweh? Nee! Ich doch nicht! Das hier ist meine zweite Heimat! Ich spreche die Sprache, ich mag die Leute, das Essen, den Kater und liebe das Meer, also bitte!
Dennoch tauchen leise Zweifel auf, ob ich tatsächlich so heimweh-immun bin, wie ich es gerne wäre? Wenn ich mich ab & an mit anderen „Zugewanderten“ unterhalte, fällt mir auf, dass das Gespräch kurz oder lang immer wieder auf das Essen kommt: „Der Supermarkt XY, stell dir vor, die haben Camenbert!“ (Franzose). „Ja, die haben auch Chorizo Salami!“ (Ungarn). „Kürzlich habe ich dort frische Heidelbeeren bekommen!“ (Athen). Das muss ja ein toller Laden sein! Warum war ich da noch nie? Strategisch geplant führt unser nächster Sonntagsausflug rein zufällig direkt daran vorbei. Mit dem Einkaufswagen rollen wir erwartungsvoll durch die engen Gänge und freuen uns über Camenbert, Chorizo Salami und frische Heidelbeeren, ja sogar eine leicht angestaubte Flasche Prossecco findet sich im hintersten Weinregal! Als ich jedoch die Haribo Gummibärchen neben der Milka Schokolade entdecke, da ist ´s um mich geschehen! Super Flash!Ich wußte bis dahin ja gar nicht, wie sehr mir die gefehlt hatten! 3 Tüten vorneweg ab in den Korb! Hmmm, lecker! Hmmm?? Komisch, die sehen aus wie Haribo Gummibärchen, steht auch drauf, doch die schmecken irgendwie anders …? Kein Wunder, die kommen aus Italien!
Heimweh, so stelle ich fest, schmeckt für jeden Menschen anders. Riecht anders. Fühlt sich anders an. Offensichtlich keine Sache des Verstandes, sondern der Sinne! Das würde auch erklären, warum das Heimweh die Richtung ändert wenn ich in Deutschland bin. Dort fehlen mir dann nämlich die Dinge, die nach Griechenland riechen und schmecken. Unsere Sinne triggern also die Emotionen, das Herz reagiert mit Sehensucht und der Verstand führt aus? Spannend ist das! Spannend auch, dass ich relaxter damit umgehen kann, seitdem mir hier und da eine Prise Heimweh erlaube und nicht immer cool sein muss.
Bevor nun alle überlegen, wie verfressen ich wohl sein muss bei soviel Gerede über das Essen: natürlich fehlen mir auch alle lieben Menschen, die ich so lange nicht live erlebt habe. Da reagiert das Herz direkt. Doch geht uns das dieser Tage nicht allen so, ganz egal wo wir gerade sind?
Herzliche Grüße
Barbara
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